Mein Leben auf Stillstand - Isabell Maria (34)

Als Dorfkind verbrachte Isabell Maria (34) viel Zeit in der Natur. Mit sechs Jahren hatte sie im Nacken eine Zecke. Schon früh bemerkte sie Symptome, die sich im Laufe der Jahre steigerten. Sie erlebte eine Ärzte-Odyssee, an deren Ende für sie feststand, dass sie neben Borreliose auch an diversen Co-Infektionen litt. Für uns hat Isabell Maria ihre Erlebnisse in Worte gefasst.

Ich atme. Immer noch oder schon wieder. Mein Atem ist schwer. Nicht wie früher. Automatisch. Babesien. Die sind Schuld. Aber niemand will das wissen. Niemand will meine Geschichte hören. Bis jetzt.

Es ist Zeit das zu ändern. Denn wir sind zu viele. Zu viele Betroffene die Hilfe brauchen und gehört werden müssen. Denn auch Du kannst morgen schon der Nächste sein.

Das was sich anhört wie der billige Spruch einer Werbesendung, ist leider bittere Realität. Denn diese Infektionen sind nicht selten, nur erkennt und diagnostiziert sie kaum einer. Fast keiner kennt Babesia, die Zwillingsschwester von Malaria. Eine Infektion die behandelt werden muss, weil sie krank macht. Weil sie real ist und nicht eingebildet.

Der Malaria-artige Parasit lebt in bestimmten Arten von Zecken. Ein weiterer Übertragungsweg sind Bluttransfusionen. Die Mikro-Organismen können außerdem von der Mutter auf das ungeborene Kind übertragen werden. Doch die Babesiose, ist neben der Borreliose nur eine von zahlreichen Infektionen, die von Zecken übertragen werden können.

Der Anfang - die ersten Symptome begannen in der Kindheit

Sie sagten ich spinne. Immer und immer wieder rannte ich weinend aus dem Sprechzimmer verschiedener Ärzte. Immer wieder erlebte ich dasselbe makabere Spiel.

Das ich mir angeblich all meine Symptome einbilde. Auch die Schwellungen meiner Fingergelenke, spontane Sehnen- und Muskelanrisse oder Gelenkergüsse wurden dabei übersehen. Doch meine Geschichte begann schon viel früher. Mit sechs Jahren saugte sich eine Zecke fest in meinem Genick. Ich hatte langes dickes Haar. Durch Zufall entdeckte meine Cousine den Stich während sie mir die Haare kämmte. Niemand dachte sich etwas dabei. Auf dem Dorf wo ich aufwuchs, war es normal Zecken zu haben. Ich lebte am Waldrand und war schon als Kind sehr naturverbunden. Ich legte mich täglich ins Gras und schaute in den Himmel, spielte mit dem Hund oder den Katzen. Für mich war die Natur mein Wohnzimmer. Ich vertraute ihr mehr als Menschen. Ich fühlte mich einfach sicher und wohl. Bis zum heutigen Zeitpunkt kann ich nicht begreifen, dass die Realität anders aussieht. Dass die Natur nun kein sicherer Ort mehr für mich sein wird, weil sie mit realen Ängsten verbunden ist.

Ich bemerkte als Kind schon ab und zu seltsame Symptome. Aber ich hielt einfach meinen Mund, da ich dachte das sei normal und sicher haben das andere Leute auch.

Alpträume und Schlafstörungen belasteten sie bereits als Kind

Hier mal stechen, da mal Schmerzen waren für mich relativ normal. Des Weiteren bekam ich starke und lebhafte Alpträume unter denen ich sehr litt. Auch heute sind diese Alpträume wieder da und verändern sich je nach Behandlung. Eine weitere seltsame Sache, die ich als Kind feststellte war, dass ich in manchen Momenten eine Art Verlangsamung spürte. Es war als würde mein Denken oder der gegenwärtige Moment so stark verlangsamt, dass sich mein Gehirn seltsam anfühlte. Doch auch dass erzählte ich niemandem und behielt es für mich. Ein paar Jahre später konnte ich dann plötzlich keine Nacht mehr schlafen. Ich musste ja am nächsten Tag in die Schule und dass war sehr schwer, wenn man die ganze Nacht hellwach blieb.

Ich probierte dann verschiedene Sachen, unter anderem Baldrian-Tabletten. Diese Schlaflosigkeit war damals sehr belastend, da ich ja den Schultag überstehen musste. Als nächstes wurde ich Chemikalien sensibel. Wurde irgendwo mit Farbe gestrichen, bekam ich sofort fürchterliches Kratzen und brennen im Hals und in der Lunge. Lösungsmittel, Benzin und Putzmittel konnte ich von da an kaum mehr tolerieren. Ein paar Jahre später sprach mich ein Arzt auf eine Pupillendifferenz an, die er auf meinem rechten Auge feststellte. Keiner konnte mir die Ursache erklären. Diese Differenz war nicht permanent da. Ich habe mittlerweile starke Sehstörungen, genau auf diesem Auge.

Je älter sie wurde, desto mehr häuften sich die unerklärlichen Beschwerden

Umso älter ich wurde, umso mehr häuften sich meine unerklärlichen Beschwerden. Zeitweise zweifelte ich an mir selbst. Wie konnte es sein, dass ich ständig soviel wechselnde Symptome habe? Hatte ich wirklich ein Problem mit der Psyche, die meine Beschwerden verursachten, so wie es mir die Ärzte immer einreden wollten. Es ist wirklich kein Wunder das ich so dachte. Immer musste ich beweisen, dass mir wirklich etwas fehlte. Doch jeder Versuch wurde von den Ärzten widerlegt. Es konnte in meinem jungen Alter kein Problem mit meiner Gesundheit geben, außer dass ich wahrscheinlich zu viel im Internet über Krankheiten las. Und jedes Mal war es aufs neue eine Erniedrigung wie gewisse Ärzte mit mir sprachen. In welchem Tonfall und auf welch herablassende Art und Weise sie sich über mein Empfinden stellten und all meine Beschwerden herunter spielten.

Es gab eine Zeit, da ging ich fast alle paar Wochen zu einem anderen Arzt. Nicht weil es mir Spaß machte, sondern weil ich tatsächlich jede Woche etwas anderes hatte.

Ich tat dies um mir selbst zu helfen. Denn niemand möchte mit Anfang 20 ständige Schmerzen haben und immerzu an etwas neuem Leiden müssen. Leider bekam ich deutlich zu spüren, dass niemand der Ärzte mir in irgendeiner Weise helfen wollte. Meist waren es fünf Minuten die ich im Sprechzimmer war. Mit der Zeit entwickelte ich dann schon eine regelrechte Angst erneut zum Arzt zu gehen, weil ich ja wusste das mich niemand wirklich ernst nahm.

Schmerzen im Sprunggelenk, Hexenschuss, Thrombose...

Als ich 17 Jahre alt war hatte ich öfters starke Schmerzen in den Sprunggelenken. Keiner konnte mir sagen warum. Ich akzeptierte irgendwann die Tatsache, dass es so war und wickelte mir regelmäßig Verbände um den Fuß. Das stabilisierte und beruhigte das Gelenk. Meist hörte der Schmerz dann auch nach ein paar Tagen wieder auf. Ich erinnere mich, dass ein Arzt zu mir meinte, ich hätte wahrscheinlich Kapselentzündungen. Aber wieso, weshalb, warum blieb unklar. Ich empfand mich auch öfters als schneller erschöpft, wenn ich mich mit anderen verglich. Doch ich versuchte einfach alles so gut wie möglich zu bewältigen. Mit 17 Jahren hatte ich einen so starken Hexenschuss, dass ich keine Treppe mehr normal laufen konnte. Später konnte ich meinen Kopf nicht mehr drehen vor Schmerzen und bekam kurzzeitig eine Halskrause. Das mir ständig etwas anderes Beschwerden machte war für mich mittlerweile normal geworden. Mit 22 Jahren bekam ich eine Thrombose im linken Bein. Diese wurde mit zu niedrig dosierten Spritzen falsch behandelt und der Thrombus stieg an. Mehrere Ärzte erkannten dies nicht und ich hatte damals Glück, dass ich auf mein eigenes Gefühl gehört hatte und so lange zum Arzt ging, bis ich einen fand, der entdeckte dass der Thrombus bereits in der Leiste saß und man dringend handeln musste.

Leider sind seitdem meine Venenklappen kaputt und ich habe ständige Missempfindungen und oft ein starkes Hitze- und Schwere Gefühl im Unterschenkel des Beines. Dadurch kann ich nicht lange hintereinander sitzen. Ich muss das Bein bewegen, damit es durchblutet wird. Es lief damals einiges schief bei der Diagnostik und Behandlung. Ich als junger Mensch bin meiner Meinung nach zu Recht enttäuscht über die unzureichende Qualität der Behandlung. Schließlich hat man nur eine Gesundheit. Egal in welchem Alter man ist. Und gerade als junger Mensch hat man in der Regel noch das ganze Leben vor sich und ist angewiesen auf seinen Körper und seine Gesundheit.

Als weitere Symptome hinzukamen, ging Isbaell Maria in eine neurologische Klinik

Nach diesem für mich schwierigen Erlebnis, ließ das nächste „Symptom“ nicht lange auf sich warten. Ich bekam starke Kiefergelenksschmerzen, Zahnfleischbluten, und war ständig erkältet. Ich erinnere mich an eine FSME-Impfung die ich circa 2010 bekam. Nach dieser Impfung erlitt ich einen ohnmachtsartigen Zustand. Mir wurde schwarz vor Augen und ich kippte weg. Anschließend wurde ich krank und bekam Fieber. Im Nachhinein habe ich das Gefühl, dass diese Impfung noch der letzte Tropfen auf dem heißen Stein war. Denn die Symptome, die sonst nur sporadisch auftraten, häuften sich nun mehr und mehr. Ich hatte fast keinen Tag, an dem mal nichts war. Ich bekam unerklärliches Stechen am ganzen Körper, oft in der Rippengegend. Teilweise waren die Schmerzen so stark, dass ich kaum gehen konnte. Dann hatte ich permanent trockene Augen, Halsschmerzen und Mandelentzündungen. Als nächstes höllische Kopfschmerzen, die wochenlang anhielten, sowie Arme und Beine welche ständig einschliefen und zeitweise kribbelten. Ich erinnere mich noch daran, dass ich damals nachts aufwachte und meine kompletten Beine nicht mehr spürte. Das hatte ich eine Zeitlang jede Nacht. Ich ging deshalb stationär in eine neurologische Klinik, in der man aber keine Ursache für meine Symptome fand. Meine Beschwerden wurden wiedermal als psychosomatisch abgetan.

Irgendwann bekam ich Schmerzen in der Hüfte und konnte nicht mehr bergauf gehen. Ich ging zu einem Chiropraktiker welcher mich leider unseriös behandelte und stark mobilisierte. Danach brach mein Körper wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Mein Becken war plötzlich schief, und ich hatte starke Schmerzen beim Laufen. Ich musste drei Jahre lang mit Bandagen und Krücken gehen. Die Schmerzen waren so unerträglich, selbst im Liegen waren sie da. Im MRT fand man einen Gelenkerguss. Doch niemand hatte eine Erklärung dafür. Zu dieser Zeit hatte ich durch eine Katze, Flöhe in der Wohnung. Mein Körper war mit Bissen übersät, die fürchterlich juckten. Damals wusste ich nicht, dass Flöhe dazu in der Lage sind Infektionskrankheiten wie Bartonellen, Rickettsien sowie Borrelien zu übertragen. Anschließend ging es mit meiner Gesundheit immer mehr bergab. Ich bemerkte ständiges Herzstolpern. Das hatte ich mittlerweile fast täglich. Doch ich versuchte dem Ganzen nicht so viel Aufmerksamkeit zu schenken. Dazu kamen zeitweise regelrechte Zitter-Anfälle, öfters wenn ich meine Wohnung sauber machte und mich körperlich betätigte. Mein Körper wurde immer instabiler. Nach leichten Physiotherapie-Übungen zog ich mir einen Sehnenanriss im Arm zu. Es schien als wären meine Sehnen überhaupt nicht mehr stabil wie sonst. Ich konnte nichts schweres mehr heben oder tragen, oft kugelte ich mir meine Schulter aus. Das war sehr schmerzhaft. Eine Weile mussten mir andere Leute beim Haare waschen helfen, da ich dies mit dem  Arm nicht mehr schaffte. Meine Knie fingen an zu knacken und entzündeten sich. Wenn ich Treppen stieg, verhakten sich die Kniescheiben. Außerdem bekam ich Sehnenschnippen in beiden Armen. Dann taten mir plötzlich die Handgelenke weh, ich konnte keine Flaschen mehr öffnen. Selbst Türen wurden mir zu schwer und ich brauchte permanente Hilfe im Haushalt und alltäglichen Leben.

Verdacht Ehlers-Danlos-Syndrom

Als dann meine Halswirbelsäule immer instabiler wurde ging ich erneut zum Orthopäden. Er sprach mich darauf an, dass ich eventuell das Ehlers-Danlos-Syndrom, eine seltene Bindegewebserkrankung habe. Ich stellte mich dann in der Uniklinik Lübeck bei einer Spezialsprechstunde vor. Dort wurde die klinische Diagnose EDS vom hypermobilen Typ gestellt. Aus meiner Sicht passte das alles. Die Ärztin dort sagte auch, dass es oft nicht genetisch nachzuweisen sei.

Denn der Gentest den ich gemacht hatte war negativ gewesen. So versuchte ich also irgendwie mit dieser Diagnose, von der ich dachte sie stimmte, meinen Alltag zu bewältigen. Es war schwer mit Anfang 20 schon so eingeschränkt zu sein. Trotzdem kämpfte ich mich so gut es ging ins Leben zurück. Es dauerte einige Zeit bis ich mich etwas stabilisiert hatte. Ich war nicht gesund wie andere. Doch ich konnte damit umgehen und hatte meinen Weg gefunden mich mit meinem Zustand zu arrangieren. Meine Halswirbelsäule festigte sich, wofür ich sehr dankbar war. Denn dieser tonnenschwere Kopf, welchen ich plötzlich nicht mehr halten konnte, machte mir ein normales Leben unmöglich. Ich erinnere mich noch daran, was für ein seltsames Gefühl sich in meinem Körper ausbreitete als ich damals diesen körperliche Einbruch hatte. Meine Wirbelsäule fühlte sich an wie lose, als würde sich in mir alles locker hin und her verschieben, ohne jeglichen Halt. Ich fragte mich selbst, was das wohl sei und es kam mir doch alles sehr seltsam vor. Als sich mein Körper nach einiger Zeit wieder festigte, war es, als wenn etwas in mir Ruhe gegeben hätte. Als sei der Spuk vorbei. Ich wusste nicht was es war, aber ich spürte das ich es überwunden hatte. Erstmal. Ich akzeptierte, dass ich nicht viel tragen konnte wie gesunde Menschen und benötigte deshalb bei großen Einkäufen immer Hilfe. Meine Erklärung dafür war nach wie vor das Ehlers-Danlos-Syndrom. So konzentrierte ich mich darauf, was ich noch konnte und das war Laufen. Selbst mit Schmerzen versuchte ich mich täglich zu bewegen. Dabei war ich sehr konsequent. Jeden Tag trainierte ich mich Schritt für Schritt darauf, mindestens acht Kilometer zu laufen. Manchmal auch zwölf.

Weiterleben, trotz Einschränkungen, Pläne schmieden, Ziele verfolgen

Meist war mein Wille dabei Größer als alles andere. Ich war so eine Kämpfernatur und wollte mir trotz Schmerzen nicht nehmen lassen was ich liebte. Das draußen sein in der Natur befreite mich und tat mir gut. Ich ging egal bei welchem Wetter hinaus und schätzte meine wieder erlangte Freiheit sehr. Ich wusste nun das nichts im Leben selbstverständlich ist. Seitdem genoss ich jeden gesunden Moment umso mehr.

Zu der Zeit betreute ich alte Menschen die an Demenz litten. Manche direkt zuhause, andere im Altenheim. Außerdem war ich als Hospizbegleiterin tätig und begleitete im Sterben liegende Menschen in den Tod. Das war für mich eine ganz besondere und tolle Aufgabe. Ich lernte unfassbar viel über das Leben und machte wunderbare Erfahrungen mit Menschen, wenn auch nur für eine bestimmte Zeit. Mein sehnlichster Wunsch war es, einen Kurs zur Sterbebegleiterin für Kinder zu absolvieren. Ich hatte das fest als Ziel und dachte, dass das mein Lebensweg und Plan sei. Nebenbei schrieb ich Artikel für die lokale Zeitung, was mir viel Spaß bereitete. Ich hatte einige Hobbies und liebte es Musik zu machen. Ich schrieb und komponierte eigene Songs. Seit ich denken kann war ich musikalisch und mein Opa, der selbst Musiker gewesen war, hatte mir diese Gabe höchst wahrscheinlich in die Wiege gelegt. Ich hatte ganze Bücher voller eigener Musikstücke. Manchmal traf ich mich mit Freunden und dann machten wir Musik. Ich liebte es zu singen oder auf der Gitarre zu spielen. Damals war ich mir sicher, dass mir das niemand wegnehmen könnte. Egal wie schlecht es mir einmal gehen würde. Da hatte ich mich sehr getäuscht. Denn das Unbekannte, was zu dem Zeitpunkt schon in mir war, sollte in Zukunft alles ändern. Das war mir damals nur nicht bewusst. Heute bin ich froh, dass ich noch so viele Reisen gemacht habe. Ich war unter anderem in Indien, Sri Lanka, Bali, Island und fühlte mich allgemein in der Welt zuhause. Ich war dankbar über jede neue Erfahrung die ich machte und war dabei sehr zufrieden mit meinem Leben. Für mich war es ein guter Ausgleich zuhause alte, sterbende Menschen zu begleiten und mich dann woanders wieder aufzutanken und anderen etwas von meiner neu geschöpften Lebensenergie abzugeben. Ich hatte Kontakt zu einer neu gebauten Hospizeinrichtung für wohnungslose Witwen in Indien aufgenommen. Mein neuer Plan war es, dass Projekt als Helferin vor Ort zu unterstützen. Leider sollte es dazu nicht mehr kommen.

Über Borreliose und CO-Infektionen wusste sie nichts

Als ich 2017 mit meinem Hund auf der Wiese lag, bemerkte ich nach kurzer Zeit, dass meine Beine über und über mit seltsamen schwarzen Punkten übersät waren. So etwas hatte ich vorher noch nie gesehen. Ich rannte nach Hause, sprang unter die Dusche und dachte, damit sei alles erledigt. Meine Mutter und mein Freund hatten die „Punkte“ gesehen. Ich fragte ob das Zecken seien. Aber 50 Nymphen auf einen Haufen, hatte niemand von uns zuvor gesehen. Ich war schockiert. Sollten das wirklich Zecken gewesen sein? Kurze Zeit später bemerkte ich, dass auf allen Wiesen rund um unser Haus „Nester“ waren, in denen sich die Nymphen nur so tummelten. Es kam mir gruselig vor. Ich wusste jedoch damals nichts über Zecken, Borreliose und die Co-Infektionen, die dadurch übertragen werden konnten. Irgendwann hatte ich dann auch noch einen Zeckenstich in der Kniekehle, den ich jedoch relativ schnell entfernte. Eine Wanderröte hatte ich in der ganzen Zeit nie. Ich dachte damals, solange ich keine Wanderröte bekomme, ist auch eine Borreliose Infektion nicht möglich. Im selben Jahr bekam ich zwei mal seltsame Umkipp-Zustände, die ich mir nicht erklären konnte.

Im Jahr 2018 übernahm ich mich körperlich. Ich reiste mehrmals in verschiedene Länder, außerdem belegte ich dazu noch einen Ballett Kurs. Ich hatte vor ein paar Jahren nie daran gedacht, dass es mir gesundheitlich möglich sein wird zu tanzen. Umso mehr freute es mich, dass es tatsächlich Realität geworden war. Ich versuchte ganz bewusst auf meinen Körper zu hören und wahrzunehmen, wenn es zu viel wurde. Für mich grenzte es damals an ein Wunder, dass ich erst jahrelang krank war, kaum schmerzfrei laufen konnte und es nun möglich war meinen Fuß und Körper zu belasten, ohne Schmerzen zu bekommen. Dafür war ich unendlich dankbar.

Wenn ich zurückblicke, bemerkte ich schon ein paar Monate vor dem großen Ausbruch eine gewisse Unfähigkeit mich zu konzentrieren. Nach meiner letzten Reise auf die Seychellen im Jahr 2018 veränderte sich mein Leben von einem Tag auf den anderen. Schon während der Reise bekam ich eine starke Lichtempfindlichkeit, und hatte zeitweise Muskelzucken. Da ich seltsame Symptome gewohnt war, dachte ich mir dabei noch nicht viel. Ich drängte meine Gedanken zurück und sagte zu mir selbst, dass mein Körper nur mal wieder rum spinnt.

Das dies meine letzten Tage als normaler Mensch, in normaler Freiheit sein sollten ahnte ich nicht. Auf den Seychellen hatte ich Kontakt zu einem Hund, der auf einer einsamen Insel lebte, ganz ohne einen Besitzer. Ich war so naiv das Tier ausgiebig zu streicheln, denn Tiere und Natur waren genau mein Ding. Ich hatte keine Angst davor mir irgendetwas einzufangen. Soweit dachte ich gar nicht. Als ich fünf Tage später zurück in Deutschland war, nahm der Horror seinen Lauf. Ich bekam kollabierungsartige Zustände. Ich hatte wie jeden Tag meinen üblichen Sport gemacht und plötzlich war es, als würde mir etwas die Durchblutung abdrücken. Ich bekam Panik, zitterte und legte mir Eis auf die Stirn um mich zu beruhigen. Diesen Umkipp-Zustand hatte ich im Jahr 2017 bereits gehabt. So versuchte ich mir wieder gut zuzureden. Es wird vorbeigehen. Ganz bestimmt. Ein paar Tage später ging ich mit meinem besten Freund einkaufen. Im Supermarkt passierte dann genau dasselbe. Ich hatte das Gefühl gleich umzukippen. Doch da war noch etwas Neues. Plötzlich war es, als würde mein Hirn explodieren. Als würde irgendetwas in meinem Gehirn diesen Zustand auslösen. Ich fühlte mich wie gelähmt, bekam Panik und konnte nicht mehr geradeaus laufen. Ich wusste nicht mal mehr, wie ich aus dem Supermarkt kommen sollte. Es war die Hölle. Ich legte mich in das Auto meines Freundes und trank Wasser. In dem Moment hatte ich das Gefühl, dass etwas gewaltiges nicht stimmte. Mein Gefühl sagte mir auch, dass dies keine leichte Sache sei, die einfach wieder wegginge. Wie recht ich doch hatte.

"Als wäre meine Muskelfunktion wie ausgeschalten"

Erst war alles nur in meinem Hirn und ich spürte das mein Nacken seltsam kribbelte. Ich und mein bester Freund hatten uns für eine Testwanderung einer neuen Trekkingroute in der Sächsischen Schweiz beworben. Zu unserer Überraschung wurden wir ausgewählt. Trotz meiner seltsamen Kopf-Symptome beschloss ich die 5-tägige 130 Kilometer Wanderung zu versuchen. Es war schon lange mein Wunsch gewesen, eine mehrtägige Trekkingtour zu machen. Bei dieser Wanderung habe ich das erste mal seit Jahren einen Rucksack über mehrere Tage getragen. Zu dem Zeitpunkt war ich körperlich noch sehr fit. Nur mein Kopf machte was er wollte. Ich bekam ständige Panik Attacken, die ich vorher nie hatte und fühlte mich nicht mehr wie ich selbst. Ich hatte das Gefühl, dass etwas, was ich nicht beeinflussen konnte mein Gehirn steuerte. Als wir abends in der Trekkinghütte ankamen, in der wir übernachten sollten, überfiel mich erneut eine unfassbar starke Panik. Ich hatte das Gefühl in meinem Hirn ist etwas, was da nicht hingehört. Ich bemerkte auch Schluckprobleme und vorwiegend fühlte ich mich auf der rechten Gehirnhälfte komisch. Nach dieser Wanderung verschlechterte sich mein Zustand drastisch. Ich war anschließend noch auf einem Konzert von „a Perfect Circle“, was für mich der totale Horror war, weil ich auch da meinen Körper nicht mehr kontrollieren konnte. Ich bekam Panik, zitterte, fühlte mich schwach, regelrecht vergiftet. Eines Tages änderte sich mein körperlicher Zustand nochmals schlagartig. Ich machte wie gewohnt Ballettübungen und versuchte mich abzulenken. Plötzlich bemerkte ich, dass sich mein Körper mehr dehnen lies als sonst. Ich hatte das Gefühl, dass ich überall locker wurde. Meine Sehnen dehnten sich und  ich konnte meinen Körper nicht mehr zusammenhalten. Es war als wäre meine Muskelfunktion wie ausgeschalten. Das ganze erinnerte mich an meinen damaligen Zusammenbruch und mir schoss der Gedanke “Es ist wieder da“ in den Kopf. Das war der letzte Tag an dem ich Ballettübungen machte. Denn seit diesem Tag war mein Leben nicht mehr so wie vorher. Ich hatte alles verloren. Meinen Körper, meine Selbstständigkeit, meine Hobbies, meine Träume und Ziele und letztendlich sogar den Glauben an das Gute im Leben. 

Odysee - die Zweite

Als erstes ging ich zu meiner Hausärztin, diese nahm mich natürlich überhaupt nicht Ernst. Ich äußerte sogar Borreliose und dass es vielleicht gut wäre das testen zu lassen, da unsere Region ja sowieso Zecken-Risiko-Gebiet sei. Sie sagte, wenn ich keine Wanderröte habe, kann ich auch keine Borreliose haben. Damit war das Thema für sie erledigt. Ansonsten meinte sie, dass meine Beschwerden rein psychischer Natur wären. Die Panik die ich schildere, wären einfach Panikattacken. Aber dass ich eigentlich überhaupt keine Angst hatte, mich aber etwas steuerte, brauchte ich dieser Frau gar nicht versuchen zu erklären. Für sie war ich sowieso schon die Bekloppte. Was für ein grausames Gefühl, wenn man genau weiß, dass etwas nicht stimmt, es aber nicht geglaubt wird, egal wie sehr man versucht es zu erklären.

Der erste Standard-Borreliose-Test war negativ

Als nächstes schleppte ich mich irgendwie in ein privates Labor und ließ einen Standard-Borreliose-Test durchführen. Dieser war negativ. Damit hakte ich das ganze ab. Denn damals war mir nicht klar, dass viele Tests falsch-negativ sein können.

Ich versuchte irgendwie klar zukommen. Mich zusammen zu reißen. Doch es ging nicht. Wieder kollabierte ich, sah Sternchen vor meinen Augen sobald ich mich bewegte. Zitterte, spürte meine Beine, meinen Körper nicht mehr. Mein ganzes System brach zusammen. Ich fühlte mich gefangen in der Hölle. Verzweifelt rief ich meinen besten Freund an und bat ihn mich ins Krankenhaus zu bringen. Leider wohnte ich im vierten Stock und hatte keine Ahnung wie ich die Treppe hinunter kommen sollte. Ich weinte. Mit der Hilfe meines Freundes setzte ich mich auf die oberste Treppe und ließ mich von einer zur anderen fallen, wie ein nasser Sack. Mein Körper hatte keinerlei Spannung mehr. Das letzte Stück stützte mich mein Freund. Ich kam mir so gefangen vor. Gefangen in meinem Körper, der einfach nicht mehr funktionierte. Ich sah die Nachbarn draußen, wie sie im Garten pflanzten. Wie gerne ich mit Ihnen getauscht hätte. Was hatte ich nur getan, dass ich so etwas schlimmes durchleben musste. Auf der Fahrt zum Krankenhaus dachte ich erneut ich sterbe. Ich versuchte den Ärzten in der Notaufnahme zu erklären, dass alles nach dem Auslandsaufenthalt anfing. Ich zeigte Ihnen auch meinen schriftlichen EDS-Befund. Niemand ging darauf ein. Am Schluss kam eine Ärztin zu mir, deren Worte heute noch in meinen Ohren hallen. Sie sagte ganz überzeugt: „Sie haben sowieso nichts. Das können wir Ihnen jetzt schon sagen“. Wie bitte? Das saß. Das tat weh. Das war eine so unverschämte Antwort. Eine Antwort auf die man keine Gegenantwort findet. Ich war baff. Ich konnte nicht mehr alleine laufen, war die Treppen meines Hauses auf dem Hintern runtergerutscht und die sagen ich habe nichts? Warum sagen die das? Warum denken die ich spinne? Warum ist das hier eine Universitätsklinik?

Erneut war ich gezwungen in diesem Zustand nach Hause zurückzugehen, wo ein normales Leben nicht mehr möglich war.

Der Weg führte sie ins Tropeninstitut

Meine Halswirbelsäule wurde immer lockerer und ich schob es dann darauf. Ich dachte wieder an das Ehlers-Danlos-Syndrom, was mir 2014 klinisch diagnostiziert wurde. Ich konnte mittlerweile nichts mehr. Ich fühlte mich komplett vergiftet, hatte massive Schluckprobleme, konnte meinen Körper nicht mehr wahrnehmen. Meine Beine wurden immer schlaffer. Es war als breche mein ganzer Körper in sich zusammen. Selbst essen wurde zur reinsten Tortur. Anfangs versuchte ich täglich Muskelaufbauübungen zu machen. Jedoch verschlimmerte das meinen Zustand nur mehr. Ich ließ mich ins nächstgelegene Tropeninstitut fahren. Da ich kurz vor dem Ausbruch der Krankheit im Ausland gewesen war, lag es für mich nahe tropische Krankheiten ausschließen zu lassen. Ich sprach den Arzt außerdem auf eine mögliche Borreliose-Erkrankung an. Er winkte nur ab und sagte, dass er davon nichts halte. Und dass fast jeder Borrelien in sich trage, die aber nichts machen würden. Da ich sonst nichts darüber wusste, glaubte ich ihm. Der Arzt schlug vor, dass ich stationär im Krankenhaus aufgenommen werden sollte.

Ich hatte Angst. Denn meine damaligen Erfahrungen mit Ärzten und Krankenhäusern waren nicht die besten. Ich wollte nicht, dass mir diesmal wieder keiner glaubte. Außerdem wusste ich gar nicht, wie ich in meinem jetzigen Zustand schaffen sollte im Krankenhaus zurecht zu kommen. Meine Beine wurden immer schwerer und zogen mich wie Blei nach unten. Ich konnte kaum stehen und gehen. Irgendetwas schnürte meine Kehle zu, ich konnte nicht schlucken, bekam unkontrollierte Panik wenn Leute mit mir sprachen. Außerdem entwickelten sich bei mir plötzlich POTS-Symptome. Ich hatte Herzrasen wenn ich ein paar Meter ging, gleichzeitig fühlte ich mich permanent als würde ich umkippen. Ich wusste nicht was mit mir los war. Das hatte ich vorher alles nie gehabt.

Diagnose POTS- Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom

Im Krankenhaus bekam ich dann die Diagnose POTS- Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom. Die Ärzte meinten, dass wäre bei jungen Frauen relativ häufig. Ansonsten behandelte mich die Neurologin, als würde ich mir alles nur einbilden. Ich musste im Rollstuhl geschoben werden, weil ich nicht mehr als ein paar Meter gehen und auch nicht mehrere Minuten am Stück stehen konnte. Die Neurologin belächelte mich und sagte: „Nun stehen Sie doch endlich mal aus Ihrem Rollstuhl auf. Das geht schon!“ Nach einigen anderen unverschämten Kommentaren wie: „Sie haben einfach zu viel im Internet gelesen“ und „Machen Sie doch mal Ihre Handbandage ab, die brauchen Sie doch gar nicht“ wehrte ich mich. Ich sagte, dass sie mir gegenüber ein menschenverachtendes Verhalten habe und das nicht in Ordnung sei. Das ich nicht zum Spaß hier bin und mich mal aus Jux im Rollstuhl durch die Gegend schieben lasse. Ich hatte damals MRT Befunde mit, die zeigten, dass ich eine Instabilität in der Halswirbelsäule habe, des Weiteren habe ich die klinische Diagnose Ehlers-Danlos-Syndrom schriftlich vorliegen. Doch selbst mit diesen „Beweisen“ wurde ich wie ein Lügner und Spinner behandelt. Ich bat auch dort um einen Borreliose-Test. Die Bitte wurde abgelehnt.

Es war unerträglich was da ablief. Ich bekam zu guter Letzt noch ein MRT mit Kontrastmittel was ja bekanntlich hoch schädlich ist. Ein weiteres lehnte ich ab. Es wurde ein MRT vom Gehirn gemacht, welches nicht auffällig war, außerdem irgendwelche Nervenmessungen. Danach wurde ich als „Psycho“ entlassen. Ich konnte kaum ein paar Meter gehen. Bei der Entlassung sagte die Ärztin: “Naja, Sie müssen ja kein Tennis spielen.“ Tennis spielen? Ich kämpfte hier gerade um existenzielle Sachen wie laufen, stehen, sitzen und die redet von Tennis.

Ihre Angst vor Krankenhäusern verfestigte sich

Diese Erfahrung war genauso wie ich sie erahnt hatte. Meine Angst vor Ärzten und Krankenhäusern verfestigte sich nach diesem Erlebnis. Ich konnte nun kaum mehr als Beifahrer im Auto sitzen, da ich meinen Kopf nicht halten konnte und mein Gehirn nicht mehr funktionierte. Mich überforderte alles. Wenn ich zu schnelle Bilder auf dem Fernseher sah, konnte ich diese nicht mehr verarbeiten. Nachts wachte ich mit Todesangst auf, bekam Herzrasen und dachte ich sterbe. Ich hatte massive Sehstörungen sah alles verschwommen. Dann kam noch eine bleiernde Müdigkeit hinzu. Besonders nach dem Essen fühlte ich mich wie tot und konnte kaum die Augen offen halten. Diese Zustände wurden mit der Zeit immer schlimmer.

Später entwickelte ich dazu auch noch Brain Fog, sogenannten Hirnnebel. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Zeitweise begriff ich nicht, was mein Freund mir erzählte und wenn ich einen Antrag für ein Amt ausfüllen musste verstand ich die Zusammenhänge nicht. Ich erschrak vor mir selbst. Das war nicht mehr ich. Ich hatte täglich wechselnde Symptome, doch die Instabilität und dass meine Muskelfunktion wie ausgeschalten war, belastete mich am meisten. Ich versuchte alles um irgendwie Muskeln aufzubauen. Ich konnte jedoch, egal wie schonend oder speziell die Übungen waren, keinerlei Besserung erzielen. Mein Körper zitterte nur noch. Das bemerkte auch die Physiotherapeutin, die zum Hausbesuch kam. Ich war gar nicht in der Lage irgendwelche Übungen zu machen. Es war die reinste Qual.

Die Hausärztin tat meinen immer schlechter werdenden Zustand weiterhin ab und meinte ich wäre selbst Schuld, dass ich keine Muskeln aufbaue. Ich sollte eben etwas dafür tun. Aber ich tat doch alles. Es ging einfach nicht. Es war als fehlten Stoffe, oder als würden gewisse Prozesse nicht mehr ausgeführt werden können um die Muskeln zu aktivieren oder aufzubauen. Meine Arme wurden immer schlaffer. Erst der rechte, dann nach einiger Zeit der linke. Die Spannung war weg und wenn ich ein Glas nahm und trinken wollte, haute ich es mir oft gegen die Zähne weil einfach der Arm so locker und schlaff war, dass ich meine Bewegung nicht mehr richtig kontrollieren konnte. Verzweifelt schleppte ich mich dann zu einem Umwelt-Mediziner. Ich konnte kaum im Wartezimmer sitzen. Mein Hirn drehte durch. Ich bekam Panik, konnte meinen Körper nicht aufrecht halten, es war als würde mir jemand die Kehle abdrücken. Ich fühlte mich ständig als würde ich umkippen, sterben. Sobald ich den Kopf nach rechts drehte, hatte ich das Gefühl sofort zu kollabieren. Ich litt so sehr. Ich wusste nicht, wie ich das überleben sollte. Dann geschah, was ich anfangs schon geahnt hatte.

Der erneute Borreliose-Test war positiv

Ich bat erneut um einen Borreliose-Test. Meine Vermutung wurde bestätigt. Ich hatte einen positiven Borreliose -efund. Als erstes fiel mir ein Stein vom Herzen, nun wusste ich endlich das ich nicht bescheuert war. Alles hatte eine Ursache. Nur war mir zu dem Zeitpunkt nicht klar, was für ein weiterer Kampf nun bevor stehen würde. Der Arzt hielt es leider nicht für nötig die Co-Infektionen testen zu lassen und wollte mir auch kein Antibiotika verschreiben. Ich hatte mich inzwischen schon etwas eingelesen und wusste, dass man Co-Infektionen unbedingt testen lassen sollte. Ich vertraute auf mein Gefühl und suchte einen Borreliose Spezialisten auf. Zum ersten mal wurden meine Beschwerden ernst genommen und ich konnte mich nach langer Zeit jemandem anvertrauen. Da der Arzt selbst Betroffener war, konnte er mich umso besser verstehen. Er testete mich erneut in einem anderem Labor, dem Deutschen Chroniker Labor. Ergebnis: Alle getesteten Borrelien-Stämme waren positiv. Außerdem die Co-Infektionen Bartonellen, Rickettsien, Ehrlichia, Chlamydia und dazu noch eine aktive Babesien-Infektion. Ich war geschockt und erleichtert zugleich. Denn endlich wusste ich was ich hatte.

Behandlung mit Antibiotika-Infusionen

Da ich direkt nach der Seychellen-Reise massiven Lufthunger bemerkte, vermute ich dass ich mir die Babesien Infektion dort eingehandelt hatte. Ich wurde nun mit Antibiotika Infusionen behandelt. Nach einiger Zeit wechselte ich zu einem anderen Arzt. Dort wurde eine Kombinationstherapie gemacht die mir mit einigen schlimmen Symptomen half. Das kollabieren, die Panik und das „ich sterbe sofort“ Gefühl wurden damit deutlich besser. Natürlich war die erste Zeit mit Antibiotika totaler Horror, da sich erst mal alle Symptome verstärkten. Typisch für eine Herxheimer-Reaktion, bei der die Bakterien absterben. Ich fühlte mich komplett vergiftet, jeder Atemzug war wie sterben, ich konnte keine Minute stehen oder geradeaus laufen. Bis zum Bad zu kommen grenzte an eine Mount Everest Besteigung. Ich war am Ende. Ich konnte nicht mehr und war mir sicher, dass es mit mir zu Ende geht. Anders konnte es nicht sein. So etwas kann man nicht überleben.

Mimten Bartonellen nur das  Ehlers-Danlos-Syndrom?

Eine sehr nette Borreliose-Ärztin berichtete mir später etwas, was für mich sehr wichtig sein sollte. Sie frug mich, ob ich das Ehlers-Danlos-Syndrom hätte. Ich war überrascht und erzählte ihr von meiner klinischen Diagnose. Daraufhin sagte sie, dass sie auf einem kürzlichen Borreliose-Kongress gehört hatte, dass Bartonellen EDS-artige Symptome mimem. Sie zeigte mir sogar eine Studie dazu (siehe Anhang). Bartonellen hatte ich eindeutig. So zweifelte ich inzwischen immer mehr an der EDS-Diagnose.

Mittlerweile sind seit dem Ausbruch fast zwei Jahre vergangen. Ich habe seit dieser Zeit nicht mehr selbst gekocht, war nicht mehr einkaufen, allein etwas erledigen, geschweige denn alleine draußen. Ich kann nur mit Begleitung hinaus. Durch den Muskelschwund kann ich leider nicht mal die Haustür öffnen, ich breche dann fast zusammen wenn ich es versuche. Meine Wirbelsäule fühlt sich an, als würde sie durchbrechen, meine Arme hängen schlaff ohne jegliche Spannung nach unten. Ein Glas Wasser zu heben ist eine Herausforderung. Ich fühle mich als wären meine Knochen wie ausgesaugt. Einfach aus Glas. Und meine Sehnen fühlen sich an als wären sie zu lang gekochte Spaghetti. Ausgeleiert und unfassbar schnell verletzbar. Ich hatte einen Sehnenanriss im Finger, ohne das ich mich an einen bestimmten Vorfall erinnern konnte. Ich bekam regelrecht das Gefühl, dass mich etwas auffrisst. Vor einem Jahr konnte ich keinen Löffel mehr halten, weil meine Finger so zitterten vor Schwäche. Die Muskeln waren weg, einfach „Out of Order“. Wenn ich stand, hatte ich das Gefühl im Boden zu versinken, weil meine Beine schwer wie Blei waren. Ich spürte keinerlei Muskeln im Rücken und fühlte mich wie eine Brausetablette die sich im Wasser auflöst. Das Fatique-Gefühl wurde so schlimm, dass ich mich kaum auf dem Sofa umdrehen konnte, so anstrengend war plötzlich alles. Ich fühlte eine tonnenschwere Last in meinem Körper.

Der Hausarzt verwies sie der Praxis

Mit weiterer Antibiotika Behandlung besserte sich der Fatique Zustand. Sobald ich spezielles Antibiotika nehme, ist auch mein Hirn wieder klar. Nur wenn ich es absetze, kommt meist schnell der Hirnnebel zurück. Für eine spezielle Kombinationstherapie habe ich Spenden sammeln müssen, da ich nicht genügend Geld hatte, diese selbst zu bezahlen. Als ich damals einen erneuten Versuch unternahm einen Hausarzt aufzusuchen um ihm meine Unterlagen zu zeigen, machte ich erneut eine schockierende Erfahrung. Als ich dem Arzt sagte, dass ich neben Borreliose nachgewiesene Babesien-, Bartonellen- und Rickettsien-Infektionen hatte, schmiss er mich aus seiner Praxis. Mit der Begründung, ich sei ihm zu kompliziert. Ich war zutiefst schockiert. Wie kann so etwas passieren. Ich war ein junger Mensch, schwer erkrankt und brauchte Hilfe. Wie konnte es sein, dass ich einfach nicht behandelt wurde? Oder hatte der Arzt Angst zuzugeben, dass er die Infektionen nicht kannte? Etwas seltsam war die Tatsache, dass im Wartezimmer Prospekte lagen, die den Patienten über von Zecken übertragene Infektionskrankheiten informieren sollten. Wahrscheinlich hatte er sie selbst nie gelesen.

Von jedem Hausarzt, Kassenarzt oder Krankenhaus bekam ich das Gefühl vermittelt, ich würde spinnen. Wie kann das sein? Warum dürfen manche Ärzte sich das Recht nehmen, einen so zu erniedrigen. Man hat keinerlei Chance mit Argumenten dagegen vorzugehen oder sich zu wehren. Und das sollte nicht sein.

Es gibt immer mehr junge Menschen, die chronisch erkranken und nicht wissen, an was sie leiden. Wie viele haben Borreliose und Co-Infektionen. Wie vielen wird gesagt, sie würden sich alles einbilden. Wie viele geben den Kampf auf und akzeptieren ihren „behinderten“ Zustand, weil sie von Hausärzten keine Hilfe bekommen. Wenn diese Hilfe und Aufklärung da wäre, gäbe es auch für diese Menschen wieder Hoffnung.

Man muss sich selbst über die Symptome und Krankheit informieren

Als erstes ist es wichtig zu wissen, an was man wirklich leidet. Und dann muss man sehen, welche Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dann kann auch die Hoffnung wieder kommen. Doch solange man im Dunkeln tappt, nur weil es laut Schulmedizin keine chronische Borreliose gibt, kann keine Zustandsbesserung eintreten. Natürlich muss man sich selbst informieren und teilweise sein eigener Arzt werden. Dennoch müssen Kassenärzte aufgeklärt werden über Infektionskrankheiten, Anzeichen und wie man diese erkennen und wirklich behandeln kann. Borreliose ist so eine verdammt schwere Krankheit. Kein Mensch hat es verdient etwas so schlimmes durchzumachen und dazu noch vom Arzt belächelt zu werden. Das darf einfach nicht sein. Wieso sollten sich Betroffene einbilden, dass sie Gehirnnebel, Fatique oder Denkstörungen haben. Es gibt keinen Zweifel. Chronische Borreliose existiert. Der Beweis sind die Betroffenen und die steigende Anzahl an neu Infizierten sowie chronisch kranken Menschen.

"Von Nicht-Betroffenen fühle mich mich eher unverstanden"

Ich wünsche mir einen Aufschrei von Allen. Einen Aufschrei gegen Ärzte, die sich für Götter in Weiß halten. Erst wer selbst einmal durch die Borreliose-Hölle gegangen ist weiß, wie sich das anfühlt. Außenstehende können versuchen sich das vorzustellen. Doch eigentlich ist das unmöglich. Kein normaler Mensch kennt Zustände wie diesen.

Gesunde Menschen können sich vorstellen wie es ist, sich zwei Jahre lang durchgehend 24 Stunden schwer krank zu fühlen. Den ganzen Körper nur mit Mühe und Not durch diese Zeit zu tragen und nicht zu wissen, ob man die nächste Situation überlebt oder stirbt, ist eine unfassbar große Belastung. Zeitweise möchte man lieber tot sein, als dieses Leid weiter über sich ergehen zu lassen. Aber viel mehr wünscht man sich zu leben. Nur nicht so. Man sehnt sich nach ganz normalen Dingen. Ohne Probleme sitzen und stehen zu können, einkaufen zu gehen oder etwas zu kochen. Ich wäre der glücklichste Mensch, wenn ich das alles plötzlich wieder könnte. Das aller schwerste ist wohl auch, immer wieder beweisen zu müssen, dass es einem wirklich schlecht geht. Dieses ums Überleben kämpfen und gleichzeitig noch beweisen müssen, dass man nicht mehr kann, grenzt an Übermenschlichkeit.

Die Instabilität meines Körpers hat sich bis jetzt leider nicht gebessert. Die Tatsache, dass ich immer weniger Muskeln habe und momentan vielleicht noch 15-20 Prozent Muskelkraft besitze, macht mir große Angst. Und dennoch muss ich es schaffen mich selbst zu retten. Diese Aufgabe lässt mich oft verzweifeln. Meine Halswirbelsäule ist so instabil und locker, dass ich oft Angst habe, bei einer einfachen Bewegung zu sterben. Es fühlt sich an, als würde man den ganzen Tag auf einem Seil in der Luft balancieren und dazu noch jonglieren. Es ist wie ein Kunststück, tagtäglich in so einem fragilen Körper zu überleben. Doch ich weiß, dass Borrelien und Co. Erreger Kollagen fressen. Ich habe immer genau dieses Gefühl, dass mich etwas auffrisst. Ich bete jeden Tag, dass ich die Kraft dazu habe weiter zu kämpfen und den für mich richtigen Weg zu finden. Für mich grenzt es tatsächlich an ein Wunder, dass ich noch da bin und diese Zeilen hier schreiben kann.

Dennoch bin ich verzweifelt. Verzweifelt, weil ich zu viele Infektionen gleichzeitig habe. Es keine Kassenärzte gibt, an die man sich in dieser schwerwiegenden Situation wenden kann. Und dann ist da natürlich noch die finanzielle Sorge, denn diese Krankheit frisst nicht nur die Gesundheit, sondern auch das Geld. Im Jahr 2019 bekam ich plötzlich ein fürchterliches Brennen auf der Kopfhaut und später fielen mir die Haare aus. Das war ein  riesiger Schock für mich, denn meine Haare waren mein ganzer Stolz. Ich hatte dickes, langes Haar, umso schlimmer war es, schlagartig so viele Haare zu verlieren. Es fielen nicht nur mal ein paar aus, es waren riesige Büschel die ich in den Händen hielt. Ich weinte und fühlte mich nun auch äußerlich nicht mehr schön. Warum musste mir diese Erkrankung nun auch noch meine Haare nehmen. Ich konnte es nicht verstehen. Notgedrungen bestellte ich mir Perücken, die ich im Notfall tragen konnte. Der Leidensdruck wurde immer größer und ich stellte mir täglich dieselben Fragen.

Wie lange brauche ich um gesund zu werden? Nehme ich die richtigen Medikamente, kann ich den Glauben, dass eines Tages alles wieder gut sein wird weiter aufrechterhalten? Oder breche ich unter der ganzen Last zusammen und gebe mich auf.

Ich versuche dabei immer noch an das Gute zu glauben und Dinge die gerade sind einfach auszuhalten. Doch wie viel erträgt ein Mensch? Es ist ein einziger Drahtseilakt, seine Gefühle, Gedanken zu ordnen. Denn es gibt bei dieser Krankheit keine klare Linie und keine Gewissheit. Auf die Frage welchen Schritt man denn als nächsten noch gehen kann um eine dringend benötigte Verbesserung zu erzielen, gibt es oft keine richtige Antwort. Man probiert aus und hofft.

Auch finanziell gesehen, ist es fast nicht machbar diese Krankheit zu „stemmen“.

Die Kosten der Behandlung sind so hoch, dass es kein Wunder ist, dass viele Betroffene sich keine fachgerechte Therapie bei einem Spezialisten leisten können. Es gibt vereinzelte Kassenärzte, die die Sache ernst nehmen und Langzeitantibiotika verschreiben. Vor diesen Ärzten ziehe ich meinen Hut. Jedoch auch vor den privaten Borreliose-Ärzten, die gezwungen wurden ihre Kassen-Lizenz abzugeben. Wir brauchen mehr Ärzte, die sich mit dieser komplexen Thematik befassen. Nur so kann den zahlreichen Betroffenen geholfen werden.

Von Nicht-Betroffenen fühle mich mich eher unverstanden. Wenn ich von Schüttelfrost, Knochenschmerzen und Lufthunger erzähle, fühle ich mich wie ein Außerirdischer. Nicht von dieser Welt. Das sage ich ganz ohne Vorwurf. Denn kein halbwegs normaler Mensch kann sich wohl in so etwas hineinversetzen. Ich hatte bis vor zwei Jahren auch nie Malaria-artige Knochenschmerzen, Fatique, Brain Fog, Schüttelfrost oder das Gefühl als sei mein ganzes Gewebe entzündet. Ich wusste, wie sich eine Erkältung anfühlt und wie es war starke Schmerzen zu haben. Doch diese „Extra-Zustände“ kannte ich damals nicht. Heute fühle ich mich teilweise, als hätte ich Krebs und Leukämie zusammen, so schwach und krank bin ich. Erst letztens sagte eine Krankenschwester beim Blut abnehmen zu mir: „Borreliose allein macht ja nichts“. Müssen denn erst alle am eigenen Leib erfahren, wie diese Krankheit sich tatsächlich anfühlt. Es ist traurig und tut weh, wenn man die Wahrheit kennt.

Freundschaften habe ich durch die Erkrankung fast keine mehr. Mein bester Freund ist geblieben. Er ist Gold wert und dafür bin ich sehr dankbar. Außerdem danke ich meinem Partner für seine Geduld, seine tagtägliche liebevolle Hilfe. Aber am meisten danke ich Ihm dafür, dass er mir glaubt.

Auch wenn er mir diese Hölle nicht abnehmen kann, schafft er es täglich mich zum lachen zu bringen, egal wie schlecht es mir geht. Das ist Glück. Und das Glück was mir geblieben ist schätze ich sehr. Ich vermisse mein altes Leben. Das wandern, die Bewegung, die Natur und die Freiheit alleine hinaus zu gehen, wann ich will. Jetzt ist alles anders. Doch eins habe ich gelernt. Ich bin stärker als ich dachte. Ich habe die Kraft, dass durchzustehen aus mir selbst geschöpft. Jeden Tag aufs Neue. Ich mache weiter. Und hoffe.

Meine Geschichte ist nur ein kleiner Einblick meiner durchgemachten Erfahrungen. Denn diese Hölle, die ich mit eigenen Augen gesehen und erlebt habe, werde ich nie eins zu eins genauso wiedergeben können. Es ist unmöglich für mich dieses Leid, diesen Horror in Worte zu fassen. Worte die es gar nicht gibt. Die Tag für Tag durchgemachten Erlebnisse der letzten zwei Jahre, haben mich stark traumatisiert. Das alles zu verarbeiten ist eine Sache für sich.

Jeder einzelne von euch hat reele Beschwerden. Keiner spinnt. Auch wenn das unwissende Ärzte immer wieder zu euch sagen. Die Tatsache ist, sie wissen es nicht besser. Unsere Geschichten sind da um das zu ändern.

Ich weiß nicht wie lang mein Weg sein wird und ob ich eine Chance habe, mich wieder wie ein normaler Mensch fühlen zu können. Ich habe Angst, große Angst. Wie lange ich das noch durchhalten kann. Das Leben zieht an einem vorüber und eigentlich hatte man soviel Pläne und Wünsche. Sich jeden Tag halbtot zu fühlen und trotzdem weiter zu machen ist keine leichte Aufgabe. Dazu das ständig auf Hilfe angewiesen sein, welches ein Gefühl der Hilflosigkeit und natürlich Zukunftsängste auslöst. Ich bin dankbar, dass Antibiotika mir bei einigen Symptomen helfen. Dennoch habe ich noch einen langen Weg vor mir.

Ich wünsche jedem einzelnen Betroffenen die Stärke, die er braucht um diesen Kampf nicht aufzugeben und die Hoffnung zu behalten. Hoffnung auf ein besseres Leben in menschlicher Würde. Hoffnung auf eine Anerkennung der Borreliose Erkrankung im chronischen Stadium.

Generell empfehle ich anderen Betroffenen das Deutsche Chroniker Labor gerne weiter, da ich mich dort gut beraten gefühlt habe mich und auch jederzeit wieder an das Labor wenden würde.

Anhang/Verwendete Quelle für Informationen zu Bartonellen: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5944489/ (ENG)